Mobiles Arbeiten
Vorwärts in die Vergangenheit!
Marina Kurz | 17.12.2024
Führungskräfte sollen grundsätzlich wieder zurück ins Büro! Die moderne Arbeitswelt ringt um die perfekte Balance zwischen Büro und Homeoffice – doch nicht alle Teams meistern die Herausforderung. Führungskräfte, die aus der Distanz führen sollen, sind oft schwer greifbar, und jetzt greift die Geschäftsleitung durch: Fünf Tage Präsenzpflicht für alle ab Ebene 3. Ein mutiger Schritt, der die Alarmglocken in den Bereichen läuten lässt und die brennende Frage aufwirft: Ist das das Ende des mobilen Arbeitens?
Die Corona-Krise hat uns alle eines gelehrt: Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind wichtiger denn je. Das Homeoffice, einst als Notlösung gedacht, ist heute zum festen Bestandteil in der Arbeitswelt geworden. Vor Corona herrschte im Büro munteres Treiben mit festen Arbeitsplätzen, überfüllten Kantinen und lautstarken Telefonaten. Doch dann kam die Pandemie und mit ihr die Aufforderung: Bleiben Sie zu Hause! Das Homeoffice wurde zum neuen Standard und die Büros entwickelten sich zu Geisterhäusern. Für den Vorstand die ideale Gelegenheit, Kosten zu sparen: keine Heizungs- oder Klimatisierungskosten oder Mieten, Gebäude und Büroflächen wurden weitestgehend abgemietet! Was für ein Glück! Nicht nur Alleinerziehende profitierten von flexibleren Arbeitszeiten, auch für Eltern war es ein Kinderspiel, Homeoffice und Betreuung zu kombinieren. Und weil das Homeoffice deutlich effizienter angesehen wurde, ermutigte man Mitarbeitende dazu, nur noch sporadisch im Büro zu erscheinen. Führungskräfte sollten ausschließlich überErgebnisse führen. Mit mehreren Betriebsvereinbarungen zum mobilen Arbeiten und Desk Sharing vereinbarte man erfolgreich die entsprechenden Rahmenbedingungen. Eine klassische Win-Win- Situation, oder?
Nach Corona haben wir uns an die „Freiheit“ des Homeoffice gewöhnt und MS TEAMS ist zum unverzichtbaren Begleiter geworden. Doch es zeigen sich auch Nachteile: Ruhepausen zwischen den Meetings? Fehlanzeige! Soziale Kontakte sind rar geworden, und der Austausch in der Kaffeeküche ist Geschichte. Verwaiste Büroflächen suchen händeringend nach ihren Bewohnern, die kommen aber nicht zurück. Doch anstatt modern und agil zu führen, verlieren sich viele Führungskräfte im Mikromanagement und fordern plötzlich mehr Kontrolle und Sichtbarkeit. Mit Regelmeetings und Afterwork-Partys werden die Beschäftigten nun ins Büro gelockt. Da andere Unternehmen bereits ihre Mitarbeiter zurückrufen, kündigt auch Mercedes-Benz in einer Rundmail den Rückkehrbefehl für Führungskräfte ab Ebene 3 für fünf Tage die Woche an. Die Freude darüber hält sich deutlich in Grenzen und was das für die restlichen Beschäftigten bedeutet, bleibt unklar. Denn bis heute hat die KBV mobiles Arbeiten weiterhin Gültigkeit! Doch die Geschäftsleitung signalisiert bereits Redebedarf. Unsere Personalvorständin in spe Frau Britta Seeger hat im letzten Townhall bei MS zumindest Veränderungen dazu angekündigt.
Was bedeutet eine Rückkehr aller Beschäftigten ins Büro?
- Steigende Betriebskosten: Voll besetzte Büros erfordern mehr Ressourcen, welche die Betriebsausgaben durch Heizung, Klimatisierung und Reinigung in die Höhe treiben. Mit einer durchschnittlichen Desksharing-Quote von 50 - 60 % sind erneute Flächenanmietungen die logische Konsequenz. Ein krasser Widerspruch zum Next Level Performance!
- Veränderte Arbeitsdynamik: Während persönliche Kontakte die Teamdynamik stärken können, birgt eine vollumfängliche Rückkehr ins Büro die Gefahr von Konflikten aufgrund eines erhöhten Lärmpegels und zunehmenden Ablenkungen.
- Verlust der Flexibilität: Kolleginnen und Kollegen schätzen nicht nur die Eigenverantwortung des Homeoffice, sondern profitieren von flexiblen Arbeitszeiten und dem Wegfall von Pendelzeiten. Und es stellt sich zudem die Frage, wo sollen die Beschäftigten ihre Fahrzeuge parken, wenn Parkflächen wieder zum knappen Gut werden.
- Gesundheitsrisiken: In Anbetracht vorhandener Gesundheitsrisiken könnte die Rückkehr ins Büro zu mehr Krankheitsfällen aufgrund höherer Belastung führen.
- Kulturelle Veränderungen: Verstärktes Ausleben von Hierarchien und ein negativer Einfluss auf den informellen Austausch.
- Ungleichbehandlung: Mitarbeitende mit unterschiedlichen Lebensumständen werden plötzlich ungleich behandelt.
Warum das durch Homeoffice ermöglichte Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben nicht weiterhin erhalten, anstatt zu antiquierten Strukturen zurückzukehren?
Fazit: Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Rückkehr aller Mitarbeitenden ins Büro mit einer Vielzahl von Herausforderungen und Risiken verbunden ist. Von der Beeinträchtigung der Flexibilität über steigende Betriebskosten bis hin zu Produktivitätseinbußen gibt es viele Aspekte zu bedenken. Statt auf ein veraltetes Anwesenheitsmodell zurückzugreifen, wäre es sinnvoller, weiterhin die Vorteile des Homeoffice und innovativer hybrider Arbeitsmodelle zu nutzen. Wir haben eine herausragende KBV zum mobilen Arbeiten, die es gilt, mit Leben zu füllen. Eine Rückkehr zum Büroalltag zeigt eine Hilflosigkeit und fehlende Kompetenz in der Führung auf Distanz und - sobald es nicht so läuft wie erwartet - wenig Standvermögen bei getroffenen Entscheidungen. Das Konzept des mobilen Arbeitens verkommt so zum Sündenbock für Strategie- und Entscheidungsschwächen.
Mobiles Arbeiten ist zur neuen Normalität geworden und bietet viele Vorteile für Beschäftigte und Unternehmen. Das Unternehmen fordert agiles Arbeiten, doch das bedarf Vertrauen in die Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung seiner Arbeitnehmer. Mit einer Rückkehr zum Büro-Modell unterdrückt man die notwendige Flexibilität. Es ist Zeit, dass das Unternehmen ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen und ihnen die notwendige Freiheit bieten, ihre Arbeit selbstbestimmt zu organisieren. Mit Vertrauen, Ehrlichkeit und Kontinuität lassen sich unsere aktuellen Probleme in Qualität und im Absatz nachhaltig lösen. In Zeiten der Krise gilt es, die Beschäftigten zu begeistern und so zu kreativen Lösungen anzuspornen.